Gloning, Thomas (Keynote, 21.6.2013, 17:30, Gewi Sitzungszimmer)

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May 31, 2013 by Helmut W. Klug

»Es soll auch ein mensch wol acht habenn auff speyse/ die seyner aygenschafft wol bekomme«. Kochkunst und Gesundheitslehre in der Platina-Übersetzung des Stephan Vigilius (1542).

Das Werk De honesta voluptate et valetudine des Platina von Cremona verbindet die italienisch-mediterrane Hochleistungsküche des Spätmittelalters mit der traditionellen Gesundheitslehre, die auf ein ausgewogenes Verhältnis der Körpersäfte zielte und eine umfassende Lebenslehre – die Diätetik – auf dieses Ziel richtete. Für den kulinarischen Teil stützte sich Platina auf das etwas ältere italienischsprachige Kochbuch des Maestro Martino, der wiederum in älteren Traditionen stand. Der lateinische Platina-Text war in Handschriften, vor allem aber in Drucken weit verbreitet, der Text wurde noch im 15. Jahrhundert auch ins Italienische und ins Französische übersetzt und mehrfach gedruckt. Platina wurde zu einer Marke, unter der im 16. Jahrhundert zu Werbezwecken sogar Kochbücher verkauft wurden, die mit Platina nichts zu tun hatten.

Im Mittelpunkt meines Beitrags soll die erste und einzige Übersetzung von Platinas De honesta voluptate et valetudine ins Deutsche stehen: Der Humanist Stephan Vigilius übersetzte den Text (1542) und steuerte ein eigenes, substantielles Vorwort bei. Am Beispiel dieser Übersetzung sollen drei Perspektiven ausgeleuchtet werden:

(i) die Gedankenwelt der medizinisch-diätetisch ausgerichteten Kochkunst(-Literatur) des 15. und 16. Jahrhunderts;
(ii) die Wege der Tradierung und der Transformation von Wissensbeständen im Spiegel der textuellen Entwicklung;
(iii) die Frage nach den sprachlichen Mitteln, mit denen das medizinisch-kulinarische Programm mit seinem eigenen Überzeugungssystem damals formuliert wurde.


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Tagungsthema:

Kochrezepttexte sind nicht nur als simple Anleitungen zur Herstellung von Speisen zu lesen, sondern transportieren wichtige Informationen zur Krankheits­prävention, die im Mittel­alter im Zentrum einer ganzheitlichen Gesundheitslehre stand und der ein besonders hoher Stellen­wert im gehobenen Alltagswissen zukommt.

Es verwundert daher nicht, wenn mittelalterliche 'Kochbücher' in der Regel nicht dem Umfeld der Küche, sondern dem Umfeld der praxisorientierten Medizin und dem so genannten 'Haushaltswissen' des 'treusorgenden Hausvaters' zuzuschreiben sind.

Darüber hinaus können diese Texte auch als 'Leittexte' für die Wege der Wissensvermittlung und der Wissenstransformation von der Antike bis in die Frühe Neuzeit gelten. Sie nehmen medizinische Theoreme der Antike auf, werden angereichert durch Impulse aus der orientalischen Medizin des Mittelalters und greifen in ihrer Anleitung zur praktischen Umsetzung auf die Ressourcen Mittel­europas zurück. – Kurz gesagt, es handelt sich um kulturhistorisch multipel aufschlussreiche Texte.