Beckmann, Inke (Poster, 21.6.2013, 15:30, Sitzungszimmer)

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May 31, 2013 by Helmut W. Klug

Bilder nach Rezept? Geflügel, Austern und Zitronen in Bild und (historischer) Realität

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich das Spannungsverhältnis zwischen Bild und Realität im Hinblick auf Lebensmittel, wie sie vor allem in Gemälden mit Speisegesellschaften, aber auch im Zusammenhang mit anderen Bildmotiven vor Augen gebracht werden. Vorrangiges Ziel meines Vorhabens ist es, vor dem Hintergrund der historischen Situation, die Bedeutung der Realien in der Lebenswirklichkeit im Verhältnis zur Darstellung im Bild zu eruieren.

Genauer geht es um drei Gruppen an Naturalien: Geflügel, Austern und Zitronen werden aufgrund ihres hohen Aussagewerts für die Ernährung bestimmter Gesellschaftsschichten sowie ihres Symbolwerts exemplarisch ausgewählt. Die ersten beiden waren – mit Einschränkungen – sowohl wohlhabenden als auch ärmeren Schichten zugänglich. Geflügel wurde teilweise selbst gehalten oder (illegal) gejagt, Austern konnten in einigen Gegenden von den natürlichen Bänken gesammelt werden. Lediglich vom Konsum der Zitrone waren breitere gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen. Dennoch wurden insbesondere die Wohlsituierten mit allen drei Lebensmitteln dargestellt.

Die bisherige Forschung zu den exemplarisch ausgewählten Gemälden liefert die für eine Kontextualisierung wichtigen Eckdaten, doch die Konzentration auf eine Analyse des Symbolwerts bestimmter Lebensmittel verspricht weitere Ergebnisse im Hinblick auf das Selbstverständnis der Käufer von Bildern, die diese Symbole enthalten. Durch die Analyse des zeitgenössischen Diskurses zu den Lebensmitteln lässt sich auf den Wert und Symbolwert der Gegenstände schließen.

Dazu gehört einerseits die Darlegung des sozialhistorischen Kontextes, andererseits die Erläuterung einer möglichen Sinnbildlichkeit mit Hilfe von literarischen und bildlichen Quellen. Gegenübergestellt werden dementsprechend bildliche und schriftliche Darstellungen von Austern, Zitronen und bestimmten Geflügelsorten in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts.

Dazu gehören normative Schriftquellen wie Tischzuchten, diätetische Schriften, Kochbücher und vereinzelt auch Reisebeschreibungen oder Beschreibungen von Festmählern, sowie Text-Bild-Verknüpfungen etwa in Emblembüchern. Diese Schriften geben Auskunft über Sitten und Bräuche, und das heißt letztlich moralische beziehungsweise gesellschaftliche Werte. Zu Geflügel können weitere Informationen aus den so genannten Vorschneidebüchern, zu Zitrusfrüchten aus der Hesperidenliteratur und anderen botanischen Abhandlungen gezogen werden, zu Austern aus zoologischen Quellen.

 


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Tagungsthema:

Kochrezepttexte sind nicht nur als simple Anleitungen zur Herstellung von Speisen zu lesen, sondern transportieren wichtige Informationen zur Krankheits­prävention, die im Mittel­alter im Zentrum einer ganzheitlichen Gesundheitslehre stand und der ein besonders hoher Stellen­wert im gehobenen Alltagswissen zukommt.

Es verwundert daher nicht, wenn mittelalterliche 'Kochbücher' in der Regel nicht dem Umfeld der Küche, sondern dem Umfeld der praxisorientierten Medizin und dem so genannten 'Haushaltswissen' des 'treusorgenden Hausvaters' zuzuschreiben sind.

Darüber hinaus können diese Texte auch als 'Leittexte' für die Wege der Wissensvermittlung und der Wissenstransformation von der Antike bis in die Frühe Neuzeit gelten. Sie nehmen medizinische Theoreme der Antike auf, werden angereichert durch Impulse aus der orientalischen Medizin des Mittelalters und greifen in ihrer Anleitung zur praktischen Umsetzung auf die Ressourcen Mittel­europas zurück. – Kurz gesagt, es handelt sich um kulturhistorisch multipel aufschlussreiche Texte.