Klug, Helmut W. (Vortrag, 21.6.2013, 11:30, Gewi Sitzungszimmer)

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May 31, 2013 by Helmut W. Klug

und färbs ain wenig ob du wilt … Diätetische Aspekte des Färbens von Speisen – eine analytische Bestandsaufnahme

 

Die kulinarische Kultur des Mittelalters ist eng verwoben mit der medizinischen Lehre der Zeit, die auf antikem Wissen aufbaut. Das Herz der mittelalterlichen Medizintheorie ist die Humoral­pathologie, wie sie von Galen im zweiten Jh. n. Ch. aufbauend auf den Arbeiten des Aristoteles und Polybos u.a. in ihre für das Mittelalter gültige Fassung gebracht wurde. Das Ziel der mittelalterlichen Medizin war die präventive Gesunderhaltung des Körpers, was bevorzugt über die Regulierung der körpereigenen humores erreicht werden sollte. Die sex res non naturales sind jene Lebensbereiche, in denen täglich aktiv auf die Gesundheit Einfluss genommen werden konnte – ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Ernährung – cibus et potus.

Aus der Kochrezeptliteratur des späten Mittelalters, die uns einen detaillierten Einblick in die Ernährungsvorlieben der gehobenen Gesellschaftsschichten gibt, geht eindeutig hervor, dass alle jene, die es sich leisten konnten, sich durchwegs abwechslungsreich und im Sinne der medizinischen Anforderungen ernährten. Die Kochrezepttexte enthalten nicht nur Hinweise darauf, wie man einzelne Gerichte möglichst attraktiv anrichtet und serviert, sondern aus vielen Zubereitungsanleitungen geht auch im Detail hervor, welche gesundheitlichen Implikationen eine Speise haben kann: In manchen Rezepten wird diese Information explizit thematisiert, in anderen wiederum kann man den Zusammenhang zwischen Zutaten, Zubereitung und medizinischer Theorie leicht erschließen.

Ein wichtiges Charakteristikum mittelalterlicher Speisen ist, dass sehr viele Rezepte Anleitungen dazu überliefern, wie man einzelne Gerichte farblich verändern kann. Die Palette dieser Anweisungen reicht von der Herstellung von Lebensmittelfarben über das Einfärben einzelner Gerichte bis hin zur Herstellung auffallend bunter Speisen wie mehrfarbiger Muse oder farblich geschichteter Sülzen. Dieser Aspekt der mittelalterlichen Ernährung wurde in der einschlägigen Forschungsliteratur bis dato relativ zurückhaltend behandelt, vereinzelt liest man jedoch darüber, dass das Färben von Speisen in direktem Bezug zur medizinischen Lehre der Zeit stünde.

Für den Vortrag im Rahmen der Tagung „Der Koch ist der bessere Arzt!“ Zum Verhältnis von Diätetik und Kulinarik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit soll auf Basis der edierten handschriftlich überlieferten Kochrezepttexte des Spätmittelalters festgestellt werden, inwieweit diese Behauptung überhaupt haltbar ist. Ausgehend von den Rezepten, die im Korpus der mittelalterlichen Kochrezpttexte gesammelt sind, wird erhoben, welche und wie viele Rezepte Angaben zu Farben überliefern und in welchem inhaltlichen Zusammenhang diese zu sehen sind. Anhand der in den Texten genannten Farben, deren Zubereitung und ihrer Eigenschaften im Sinne der mittelalterlichen Humoralpathologie wird versucht, ihre Rolle innerhalb der Diätetik des Mittelalters zu charakterisieren. Als Basis für diesen Vergleich dienen neben den richtungsweisenden Schriften Galens ausgewählte medizintheoretische Texte des Mittelalters. Das Ziel der Untersuchung muss es also sein, den Grund oder die Gründe für das Färben von Speisen in den Quellentexten zu verorten und eine Verbindung zur zeitgenössischen medizinischen Lehre herzustellen oder zu widerlegen.


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Tagungsthema:

Kochrezepttexte sind nicht nur als simple Anleitungen zur Herstellung von Speisen zu lesen, sondern transportieren wichtige Informationen zur Krankheits­prävention, die im Mittel­alter im Zentrum einer ganzheitlichen Gesundheitslehre stand und der ein besonders hoher Stellen­wert im gehobenen Alltagswissen zukommt.

Es verwundert daher nicht, wenn mittelalterliche 'Kochbücher' in der Regel nicht dem Umfeld der Küche, sondern dem Umfeld der praxisorientierten Medizin und dem so genannten 'Haushaltswissen' des 'treusorgenden Hausvaters' zuzuschreiben sind.

Darüber hinaus können diese Texte auch als 'Leittexte' für die Wege der Wissensvermittlung und der Wissenstransformation von der Antike bis in die Frühe Neuzeit gelten. Sie nehmen medizinische Theoreme der Antike auf, werden angereichert durch Impulse aus der orientalischen Medizin des Mittelalters und greifen in ihrer Anleitung zur praktischen Umsetzung auf die Ressourcen Mittel­europas zurück. – Kurz gesagt, es handelt sich um kulturhistorisch multipel aufschlussreiche Texte.